Genau wie es bildlich in der Überschrift steht, haben wir LuWis es gemacht: Wir sind vom 18. bis 20. September zu einer Art „Mini-Studienfahrt“ nach Berlin aufgebrochen. Nach der langen Corona-Abstinenz waren die Teilnehmenden auch sehr froh darum, endlich mal wieder mit einer Gruppe verreisen zu dürfen und „auswärts“ und in „live“ Referenten zu erleben und mit ihnen zu diskutieren. Die Gelegenheit haben wir auch möglichst gut genutzt: Von Freitag bis Sonntag durften wir eine Vielzahl an Referenten treffen und mit ihnen zu einer großen Bandbreite von Themenbereichen zu unserem Jahresthema „Aktuelle Fragen des politischen Katholizismus“ ins Gespräch kommen. Dabei ging es am Freitag schon sehr früh los: Wir trafen uns um 7:00 Uhr am Lingener Bahnhof. Nach der Ankunft in Berlin wurden wir vom Bundestagsabgeordneten für das südliche Emsland und die Grafschaft Bentheim Albert Stegemann und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Heinz Möddel sowie seinem Praktikanten Maximilian Kramer (beide engagierte LuWis bzw. Alt-LuWis, die uns als Organisatoren bei der Planung sehr behilflich waren) im Paul-Löbe-Haus empfangen. Es folgten Gespräche mit Lars Castellucci (SPD) und Christine Buchholz (Die Linke), die beide religionspolitische Sprecher ihrer Fraktionen sind. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Fragestellungen rund um Kirche und Politik, wie beispielsweise: „Ist die Kirchensteuer noch zeitgemäß? Vernachlässigt der deutsche Staat nicht eigentlich seinen Sozialstaat, wenn er die Aufgabe an die Kirchen verteilt? Aber auch: Wie sollte man als Politiker mit der AfD und ihren Abgeordneten umgehen?“ Auch wenn die Bundestagsabgeordneten und auch wir selbst nicht auf alle Fragen eine Antwort finden konnten, sind wir doch dankbar für den interessanten Input und die spannenden Perspektiven der beiden Politiker. Klar wurde jedoch auch, dass ihre Vorstellung von Kirche und Politik nicht vordergründig mit dem „politischen Katholizismus“ im klassischen Sinne begründet waren.
Am Samstag haben wir uns dann mit dem Thema „Humboldt Forum“ auseinandergesetzt. Zur Debatte steht dabei das Humboldt Forum im neu errichteten Berliner Schloss, insbesondere das Kreuz auf der Kuppel. Am Vormittag trafen wir uns dazu mit der Initiative „no humboldt 21“, die gegen das Kreuz auf der Kuppel plädiert. Ihre Argumentation: Als überkonfessionelles und überparteiliches Ausstellungs-und Diskussionsforum sollte das Humboldt Forum nicht das Kreuz auf der Kuppel tragen, das von König Friedrich IV. einst als Machtdemonstration und Darstellung seiner Person als Herrscher von Gottes Gnaden gedacht war. Die im Humboldt Forum ausgestellten Exponate seien außerdem Raubkunst aus der Kolonialzeit des Deutschen Reiches in Afrika und sollten nicht länger in Deutschland ausgestellt werden, sondern an die entsprechenden heutigen Länder Afrikas zurückgegeben werden.
Aber kein Treffen ohne die „Gegenseite“. Deshalb folgte auch die Auseinandersetzung mit Vertretern und Mitarbeitern des Humboldt Forums. Sie ordneten die Debatte in einen größeren Kontext ein: Natürlich seien die vorhandenen Exponate, die ab Dezember im Humboldt Forum ausgestellt werden, Raubkunst. Jedoch gestalte sich die Rückgabe an Herkunftsländer schwierig, da die Länder häufig keine Verwendung für die Exponate und Angst vor einer politischen Instrumentalisierung hätten. Die beiden Mitarbeiter betonten außerdem, die geschichtliche Aufarbeitung könne nur durch die Kontextualisierung der Exponate stattfinden. Sie stellten heraus, sie stünden einer Rückgabe offen gegenüber.
Im Rahmen unserer Studientage trafen wir außerdem einen Alt-LuWi in Berlin: Volker Resing, heute Chefredakteur der Herder Korrespondenz. Der Verlag hat seine Räumlichkeiten im Haus der Bundespresskonferenz, das für uns am Wochenende neben dem Paul-Löbe-Haus und Jakob-Kaiser-Haus ein weiteres Highlight war, was die Tagungsräume angeht. Ein Highlight war aber auch unser Gespräch mit Volker. Er berichtete nicht nur von seinem persönlichen Werdegang und der Bedeutung der LuWis für sein Leben, sondern auch über „Werner Remmers – Die Kraft des politischen Katholizismus“, wie er als Biograph Remmers ihn passend bezeichnend hat. Volker
berichtete von Remmers als unideologischen pragmatischen Politiker, dem es stets ein Anliegen war, junge Menschen und Talente zu fördern und ihnen dafür mit dem Arbeitskreis-Ludwig-Windthorst ein überparteiliches und überkonfessionelles Austauschforum bot. Für uns junge LuWis war dieser Einblick sehr inspirierend und lehrreich, ist es doch leider manchmal recht schwierig, persönliche Bezüge zu Werner Remmers herzustellen. Im Kopf blieb Volker dabei der Ausspruch von Remmers nach einer simulierten Bundestagswahl und einem bunt durchmischten Wahlergebnis. Remmers betonte damals, dies sei genau das, was er immer gewollt habe – Überparteilichkeit. Nach diesem Wochenende ist klar (auch wenn das jetzt vielleicht pathetisch klingen mag): Werner Remmers politisches und persönliches Erbe lebt durch uns LuWis weiter.
Am Sonntag knüpften wir an die Kraft des politischen Katholizismus an, nämlich durch Prälat Karl Jüsten, Leiter des katholischen Büros in Berlin. Er setzt sich als Vertreter der katholischen Kirche für die Interessen dieser im politischen Berlin ein. Im Gespräch standen somit Fragen wie: „Welchen Platz hat die Kirche noch in der Gesellschaft? Welches Recht hat sie, Lobbyismus zu betreiben? Oder ganz profan: Mit wem arbeitet Karl Jüsten am besten zusammen?“ zur Diskussion. Im Anschluss an das Gespräch besuchten wir die Messe von Prälat Jüsten in der Katholischen Akademie, die auch eine Verbindung zu Werner Remmers hat: Nach seiner politischen Karriere gründete er sie im wiedervereinigten Berlin und schuf so in der scheinbar säkularen baldigen Hauptstadt ein politisches sowie religiöses Austauschforum über die wichtigen Fragen der Zeit.
Als Abschluss der Studientage warfen wir außerdem einen Blick auf das Judentum und jüdische Kultur in Deutschland, indem wir eine Führung durch die Neue Synagoge genossen. Trotz des jüdischen Neujahrfestes wurde uns ein Einblick in die Synagoge mit dem zentralen Element, dem Gebetssaal, gewährt. Über die Verbindung von Bibel und Thora, von jüdischen sowie christlichen Festtagen konnten wir viel lernen.
Unser Dank gilt zum Schluss allen Referenten. Wir sind dankbar für den großartigen Input und die vielen neuen Erkenntnisse zu unserem Jahresthema „Aktuelle Fragen des politischen Katholizismus“.